High Potentials über 55.

April 2022

Wir werden immer wieder von gestandenen Führungspersönlichkeiten kontaktiert, die als über 55-Jährige ihr Unternehmen verlassen müssen. Oft heisst es: «unterschiedliche Ansichten zur strategischen Ausrichtung des Unternehmens.» Die tatsächlichen Gründe sind mannigfaltig, was sich dann jedoch abspielt, folgt oft demselben Muster: Nach einer rund 30-jährigen erfolgreichen Karriere fallen einige frustriert in ein Loch und realisieren, dass ihr berufliches Netzwerk nur so lange tragfähig war, wie sie die entsprechende Position innehatten. Es braucht viel Kraft, das verletzte Selbstwertgefühl wieder herzustellen und die Zukunft zu planen. Dabei geht es den meisten nicht mehr um die Fortführung der Karriere. Vielmehr wollen sie ihre langjährige Erfahrung einsetzen und etwas Sinnvolles tun. Den Weg in einer Linienfunktion weiterzuführen ist jedoch steinig, wenn nicht gar verbarrikadiert. So befassen sie sich aus Überzeugung oder notgedrungen mit dem Plan B.

Plan B: Verwaltungsratsmandate

Verwaltungsratsmandate sind sicher geeignet, um die langjährige Linienerfahrung gewinnbringend in ein Unternehmen einzubringen. Insbesondere dann, wenn der Verwaltungsrat eine aktive Rolle einnimmt, welche über die zweimonatlichen Sitzungen hinausgehen. Dies trifft in der Regel für den Verwaltungsratspräsidenten und seltener auch für einzelne Verwaltungsratsmitglieder zu. Eine Karriere als multipler Verwaltungsrat kann jedoch nicht auf Knopfdruck lanciert werden. Es gibt sicher vereinzelt positive Beispiele von «Gestrandeten», die innert kurzer Zeit ein tragfähiges Portfolio an VR-Mandaten akquirieren können. Meistens sind diese VR-Karrieren mittels einem oder zwei berufsbegleitenden Mandaten von langer Hand vorbereitet. Aufgrund des Bestrebens nach Gender Diversity in den Verwaltungsräten tun sich Frauen derzeit etwas leichter – es ist jedoch auch für sie kein Freipass.

Plan C: Coaching und Management auf Zeit

Als quasi letzter Notnagel befassen sich über 55-jährige mit Coaching und Management auf Zeit. Sie gründen eine «Ich-GmbH» und versuchen sich als Berater. Nicht jeder erfolgreiche Ex-Manager verfügt jedoch über das Berater-Gen, kann eine nachgefragte Spezialität entwickeln und hands-on, ohne Entourage agieren. Viele unterschätzen auch die mit dem Unternehmertum verbundenen Unsicherheiten.

Warum eigentlich nicht der Plan A?

Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von weit über 80 Jahren ist es nicht ersichtlich, weshalb eine Führungspersönlichkeit bereits ab 55 zum «Alteisen» gehören sollte. Viel wichtiger als die Geburtsurkunde ist der Energiepegel. Zudem kann der Lebens- und Berufserfahrung nicht genügend Wert beigemessen werden. Heterogenität in den Führungsgremien setzt auch unterschiedliche Erfahrungshintergründe voraus. Oft wird bei über 55-jährigen Kandidatinnen und Kandidaten argumentiert, dass diese nur noch wenige Jahre bis zur ordentlichen Pensionierung zur Verfügung stünden. Hand aufs Herz: Welcher 42-jährige Kandidat committet sich für eine längere Periode als für fünf Jahre? Manchmal wird auch ins Feld geführt, dass ältere Kandidaten weniger integrationsfähig seien. Es mag sein, dass die Anpassungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnimmt. Gleichsam nimmt jedoch auch die Bereitschaft für politische Machenschaften ab und jene für die sachbezogene Diskussion hinsichtlich effizienter und pragmatisch umsetzbarer Lösungen zu.

Gerade in Zeiten disruptiver Markt- und Unternehmenstransformationen braucht es heterogene Führungsteams mit erfahrenen High Potentials.

Es herrscht die allgemeine Vorstellung, dass die berufliche Karriere linear verlaufen muss. Weshalb eigentlich? Warum kann ein C-Level Executive während den letzten Jahren nicht – selbstredend mit einer entsprechenden Lohnreduktion – eine Stufe absteigen? Würden sie sich nicht z.B. als Head Corporate Development für strategische Projekte und als Sparringspartner für die einzelnen Geschäftsleitungsmitglieder anbieten? Oder bei einer Nachfolgeregelung als Stellvertreter eines deutlich jüngeren CEOs?

Massgeschneidert auf die anstehenden Herausforderungen schlagen wir bei unseren Suchmandaten den Unternehmen regelmässig auch High Potentials über 55 vor. Nicht oft, jedoch mit nachhaltigem Erfolg werden diese dann auch gewählt. Hierfür einige Beispiele:

  • Ein Topmanager eines börsenkotierten Grosskonzerns, der einen Geschäftsbereich mit mehreren Tausend Mitarbeitern geführt hat, wird mit 56 Jahren CEO eines mittelständischen Unternehmens mit wenigen Hundert Mitarbeitern und halbiert dabei sein Gehaltspaket. Dabei freuen sich alle über diese Konstellation: Der Verwaltungsrat, dass er das stark wachsende Unternehmen einem so qualifizierten, international erfahrenen CEO anvertrauen kann; der neue CEO, dass er eine spannende Herausforderung annehmen und nochmals Gas geben kann.
  • Ein Versicherungsunternehmen nahm für das Risk Engineering einen 61-jährigen Experten an Bord, der mit seinem ETH-Abschluss und seiner langjährigen Erfahrung im Risikomanagement über eine seltene Expertise verfügte.
  • Ein börsenkotiertes Industrieunternehmen entschied sich für einen 59-jährigen Chief Information Officer, «weil er noch voller Energie ist und letztlich nicht mehr davonläuft».
  • Ein Finanzdienstleistungsunternehmen stellte eine 56-jährige Personalleiterin ein aufgrund ihrer breiten Erfahrung und Souveränität in der Führungskräfteentwicklung.
  • Ein mittelständisches Telekommunikationsunternehmen engagierte einen 57-jährigen CEO aufgrund seiner ausgewiesenen Turnaround-Erfahrung und souveränen Persönlichkeit.

Es ist eben nicht so, dass ältere Führungskräfte den Innovationen per se entgegenstehen. Vielmehr können sie aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung massgeblich dazu beitragen, Umsetzungsfehler zu vermeiden und die Wirkung ins Ziel zu bringen.

«Business Transformation» und «Diversity» sind unsere Kernthemen: Als agile, dynamische Schweizer Executive Search Boutique mit integriertem Leadership Consulting wollen wir Mitverantwortung für die erfolgreiche Weiterentwicklung von Unternehmen im digitalen Zeitalter übernehmen. Mit Begeisterung und Kompetenz steht Ihnen Witena als Sparringspartnerin zur Seite, um Sie in der Weiterentwicklung Ihres Unternehmens zu unterstützen.